im
Hofe des Zuchthauses von Rendsburg
eine
Stunde vor der Erschießung
Abschrift
Rendsburg,
den 30.6.1945
Meine liebe gute
Mama!
Die Freude über einen
Brief von mir wird nur kurz sein,
es ist mein letzter!
Am 9.5.1945 bin ich
als einer der letzten von der Halbinsel Hela abgesprungen und habe, nach einer abenteuerlichen
Fahrt auf einem kleinen Fischkutter der Kriegsmarine, glücklich Flensburg
erreicht, wo das OKH saß.
Mein Regiment, das
ich nur teilweise herausbrachte, habe ich unterwegs verloren, so dass ich
mutterseelenallein war. Auf dem Weg zu General Scheffler, dem General der
Artillerie beim OKH, den ich von früher her kannte, und den ich um eine neue
Verwendung bitten wollte, wurde ich von einer deutschen Frau um Hilfe gebeten.
Ein russischer
Kriegsgefangener war in die Wohnung einer 80-jährigen Frau eingebrochen und
hatte ihr 2 goldene Uhren geraubt. Ich stellte den Täter, nahm ihn fest und
erschoss ihn, als er auf dem Wege zu einem deutschen Marineposten flüchten wollte.
Nach deutschem Recht
habe ich recht gehandelt und war geradezu zu meiner Handlungsweise
verpflichtet. Die Engländer, deren Gesetze ich noch nicht kannte - ich war erst
am Nachmittag auf dem deutschen Territorium angekommen -, stellten sich auf einen
anderen Standpunkt und verurteilten mich am 29.5.1945 in öffentlicher
Verhandlung im Schwurgerichtssaal des Landgerichtsgefängnisses in Flensburg zum
Tode. Das Urteil wird heute Morgen in 4 Stunden (um 8.00 Uhr) in Rendsburg, wo
ich seit dem 1.6.1945 im Zuchthaus als Untersuchungsgefangener sitze, nach
Verwerfung der Revision durch General Montgomery durch Erschießen vollstreckt.
In Zelle 103 - meine
letzte Regiments Nummer - hatte ich nun 4 Wochen Zeit, mein Leben zu
überschlagen.
Meine Gedanken
gehörten neben unserer unglücklichen Heimat und meiner Familie in besonders
herzlicher Liebe meiner elterlichen Familie, Dir, meiner lieben Mutter! Wie ich
zu Dir meine liebe Mama, unserem unvergesslichen Vater und meinem
vorausgegangenen Bruder gestanden bin, weißt Du. Es war mir wohl nicht gegeben,
das immer mit Worten zu zeigen, aber dein teures Mutterherz hat immer gewusst, wie
es in meinem Innern ausgesehen hat. Was ich geworden bin, habe ich
ausschließlich Eurer elterlichen Erziehung und dem leuchtenden Vorbild Eures
echten deutschen, verinnerlichten Familienlebens zu verdanken. Glücklich der
Sohn, der getragen von der tiefen Liebe von Vater und Mutter in den letzten Stunden
seines Lebens das sagen kann. Ich habe in Dir eine Mutter besessen, die
einmalig - auch von anderen anerkannt - mir alles an Herzensgüte, Herzenstakt
und Erziehung gegeben hat, um anständig durchs Leben zu kommen. Deine Liebe hat
mich immer geführt und ich habe sie ehrfurchtsvoll in Empfang genommen. Dafür,
meine liebe Mama, meinen tiefen und heißen Dank! Du magst nun wohl sagen, Du
hast, nachdem Du nun alle 3 Söhne verloren hast, umsonst gelebt.
Nein, ohne Dein
Vorbild und Deine Erziehung wäre ich nicht das geworden, was ich meiner Familie
sein konnte. Ich sterbe in der Gewissheit, dass ich anständig und treu durch
das Leben gegangen bin, das wird auch Dein und mein Gott anerkennen.
Ich gehe in ganz
kurzer Zeit ganz ruhig und gefasst vor die Gewehre der englischen Soldaten. Ich
werde so sterben wie ich gelebt habe, tapfer und treu. Sicher, auch ich sterbe
für unser unsterbliches Deutschland. Wohl zu Unrecht verurteilt, aber für meine
Kinder als Vorbild. Sie werden in dem so schweren Leben nicht von der rechten
Bahn abkommen können.
Ich habe ein
glückliches Leben hinter mir. Die Gnade des Schicksals hat mir ein glückliches,
unvergleichliches Elternhaus, eine Frau, die ich mehr als mein Leben geliebt
habe, und gute Kinder geschenkt. Außerdem hatte ich eine tiefe Befriedigung in
meinem stolzen Beruf gehabt. Ich habe immer Menschen führen dürfen, die mir
Liebe und Verehrung gezeigt haben. Meine liebe Mama, wie viele Menschen gibt es,
die so viel Glück und Gnade erlebt haben. Sieh, ich sterbe in der Blüte der
Jahre ganz leicht, ja sogar stolz. Ihr, die ich zurücklassen muss, habt es in
dieser so unglücklichen Zeit so viel schwerer als ich. Meine liebe Mama, Du
warst von jeher in Deinem Gottvertrauen stark, Du wirst Deinen Sohn genau so
stolz von dieser Erde ziehen lassen, wie ich gehe. Wie leicht ist es, den
Germanentod zu sterben. Glaube mir, ich hätte ein Leben als Unfreier nach all
den harten Kriegsjahren nur schwer ertragen.
Eine Sorge bedrückt
mich natürlich tief, was wird aus meiner geliebten Familie? Meine liebe Mama,
Du musst weiterleben und meinem armen „Peterle" weiterhelfen. Ich lege es
Dir wärmstens ans Herz. Schenke ihr Deine Liebe weiterhin, sie hat Deinen Sohn
durch ihre tiefe Liebe zum glücklichsten Menschen gemacht. Liebe ist das
Höchste, was wir auf dieser Erde erwerben können! Ich habe sie von meiner Frau
in der denkbarsten verinnerlichten Form genossen. Sie erst hat mich zu einem
annähernd ausgeglichenen Menschen gemacht. Wie habe ich sie geliebt!
Bitte sorge dafür,
dass Onkel Alfred, Onkel Franz oder die Stadt Bayreuth für meine Kinder sorgen,
das habe ich verdient. Alles andere an Kleinigkeiten erfährst Du aus dem Brief
an „Peterle". Die Stunden schwinden dahin.
Lass Dir noch einmal,
meine liebe Mama, meine unaussprechliche Dankbarkeit und meine tiefe Sohnesliebe
zum Ausdruck bringen. Wenn es ein Jenseits gibt, dann werde ich bald mit meinem
geliebten Vater, dessen Tod ich niemals habe verwinden können, und meinem
lieben Bruder vereint sein.
Du aber musst leben
für meine Frau und meine Kinder. So muss ich Dir nun wieder das Mutterlos
aufbürden, nämlich die Pflicht im Leben, das Schwerste was es gibt zu tragen.
Nochmals von Herzen
tausend Dank und auf Wiedersehen!
Ich sterbe in der
unverrückbaren Gewissheit, dass unsere Opfer für Deutschland nicht umsonst
gewesen sind, denn Deutschland ist ewig.
Es lebe unsere
geliebte Heimat, für die ich im Gedenken an beide Familien bis zuletzt 5 1/2
Jahre gekämpft habe. Gott schenke unserer Heimat bald die Freiheit.
Es wird Dich wohl
beruhigen, meine liebe Mama, dass ich wohl nicht mit der Kirche, aber mit
meinem Herrgott ins Reine gekommen bin. Er wird mich als deutschen Soldaten,
wenn ich stolz und aufrecht vor ihn hintrete, annehmen, denn ich habe für eine
gerechte Sache gekämpft.
In inniger Liebe
grüße und küsse ich Dich, meine liebe Mama, zum letzten Mal als Dein immer
treuer und dankbarer Sohn
Erich
Lebe wohl! Meine
geliebte Mutter und trage stolz Dein Los. Auch Du hast in der Liebe ein
glückliches, wenn auch schweres Leben hinter und vor Dir.
(Anmerkung: Die
Mutter hat diesen Brief nicht mehr erholten, sie ist bei einem Bombenangriff
1945 in der Wohnung verbrannt)
Gericht beim
Wehrmachtkommandanten im Flensburg,
den
Bereiche Nord -
Schleswig-Holstein 15.7.1945
und im Kreise
Flensburg
- Der Kreisrichter –
An den
Armeerichter
beim Armeestab Müller
Hutzfeld
Bezug: Anfrage vom
10.7.1945
Betr.: Oberstleutnant
Hammon
Bericht
Durch
Nachfrage beim Verteidiger des Oberstleutnants Hammon, Marineoberstabsrichter
Franke, habe ich über den Fall Hammon Folgendes in Erfahrung gebracht:
Oberstleutnant
Erich Hammon, Ritterkreuzträger, zuletzt Kdr. Pz.Art.Rgt. 103 (4. Pz.Div.),
wurde am 29.5.1945 durch das Gericht der Militärregierung in Flensburg (General
Court),
a)
wegen unbefugten Waffengebrauchs,
b)
wegen Tötung eines Angehörigen der alliierten Streitkräfte,
zum
Tode verurteilt. Das Urteil wurde am 30.6.1945 um 8.00 Uhr in der Haftanstalt
Rendsburg durch Erschießen vollstreckt, nachdem die eingelegte Revision und das
eingereichte Gnadengesuch durch Feldmarschall Montgomery verworfen worden
waren.
Oberstleutnant
Hammon hatte im Hafengelände Flensburg einen ehemaligen russischen
Kriegsgefangenen, der des Diebstahls an einer Uhr verdächtigt war und
anscheinend flüchten wollte, nachdem er von Oberstleutnant Hammon auf Ansuchen
der Frau gestellt worden war, mit dem Gewehr eines in der Nähe stehenden
Wachpostens der deutschen Ordnungstruppe aus etwa 10 Schritt Entfernung
niedergeschossen und dabei tödlich getroffen.
Oberstleutnant
Hammon war zur Zeit des Vorfalls, erst etwa 2 Tage zuvor aus Hela kommend, in
Flensburg angekommen und hatte sich auf dem Wege zum OKW in Mürwick zur Stadt
befunden.
Die
Bestätigung des Urteils und die Ablehnung des Gnadengesuches wurde Oberstleutnant
Hammon am 28.6.1945 um 17.00 Uhr durch den englischen Gefängnisdirektor, einen
Major, mündlich bekannt gegeben. Eine schriftliche Bekanntgabe - auch des
Urteils selbst - erfolgte nicht.
Vom
Zeitpunkt der Bekanntgabe der Bestätigung und Anordnung der Vollstreckung an,
waren zwei englische Offiziere und der deutsche Verteidiger ständig bei dem Verurteilten.
Der
Verteidiger teilte mit, dass dem Verurteilten durch den englischen Gefängnis-Direktor
gestattet wurde, dass er von der Bekanntgabe an, alle seine Orden und
Ehrenzeichen wieder hat anlegen dürfen, dass ihm von den englischen Offizieren
freiwillig Likör, Wein und gute Zigarren in reichlicher Menge zur Verfügung
gestellt wurden und er essen konnte, was er wollte. Ferner wurde ihm ein
Plattenspieler mit guten Platten zur Verfügung gestellt, so dass er viel
klassische Musik (Beethoven und Wagner) gehört habe. Auch hat er an die
Angehörigen und Bekannten schreiben dürfen.
Die
Exekution wurde im Gefängnishof durch ein englisches Peleton in Stärke von 8
Mann durchgeführt.
Es
wurde gestattet, dass der Verurteilte die Augen unverbunden und die Hände ungefesselt
behielt. So fiel er mit dem Deutschen Gruß und einem „Heil Deutschland!".
Er
hatte 8 Volltreffer, davon 2 Kopf und 2 Brustschüsse und war sofort tot. Der
Verteidiger war zugegen.
Die
Ehefrau konnte noch nicht benachrichtigt werden.
Art.Rgt.103
Anmerkung: Bilder von Erich Hammon wurden gesucht und es wurden Bilder gefunden - Danke!
Es war im Sinne unserer Veteranen und eine Bitte, Erich Hammon nicht zu vergessen.
Ein Photo, kurz vor der Hinrichtung, ist nur in sehr schlechtem Zustand als Kopie erhalten.
Das Gefängnis stand bis in die 60er Jahre und wurde abgerissen.