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Miniatur auf der Geburtstagskarte von einem japanischen Mitgefangenen in Leninogorsk
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Nürnberg, den 25. November 1951
Lieber Freund Shinji!
Du wirst erstaunt sein, nach über 3 jähriger Trennung von mir diese Grußzeilen aus Deutschland zu erhalten. Haben Dir schon andere Kameraden aus dem Lager Leninogorsk geschrieben, oder ist dies das erste Lebenszeichen? Wie hast Du denn Deine Heimat und Angehörigen angetroffen? Ich selbst kam am 5. Juni 1948 in Nürnberg an und treffe mich jeden Monat einmal mit den Kameraden aus unserem Lager. Seit 13. Mai 1951 bin ich verheiratet und habe eine sehr schöne neue Wohnung und bin seit meiner Rückkehr in meiner alten Firma (Ortskrankenkasse) tätig. Gesundheitlich dürfte es mir besser gehen. Triffst Du auch den Chirurgen Doktor Baba, der mich operiert hat? In der Hoffnung auf eine baldige Antwort und eventuell ein friedliches Wiedersehen grüßt Dich herzlich Dein deutscher Freund Armin Fischermeier.
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Nicht zustellbar zurück |
Wieder so ein "Zufall"
Heute besuchte ich nach endlosen Versuchen und Versprechungen Armin Fischermeier.
Es war ein wunderbarer Nachmittag mit vielen Erinnerungen, denn ich führe letztlich nur Armins und Lore Fischermeiers Arbeit weiter, die er mit unglaublichem Fleiß und mit Hilfe seiner Frau Lore über zwanzig Jahre zum Erhalt der Panzerkameradschaft Nürnberg geleistet hat. Natürlich haben wir über das große Glück gesprochen, wieder nach Hause gekommen zu sein und wie froh die jetzige Generation sein sollte, solch unwahrscheinlich gute Zeiten erleben zu dürfen.
Er zeigte mir einige Briefe und Bilder... Dabei fanden wir diesen Brief, der nie zugestellt wurde. Ich will probieren, was jetzt möglich ist! Da ich keine Zeit verlieren will, setze ich mich wieder
am
25. November, diesmal 2015 hin und versuche mein Glück, die Post zuzustellen.
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Shinji war der Dolmetscher der japanischen Kriegsgefangenen.
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26. November 2015
Es besteht Hoffnung! Ich vermelde sofort, wenn sich eine weitere positive Meldung ergeben hat! Es läuft an... (Noch kein Zeichen des Erfolges! Feb.2017)
Passend zum Thema erweitere ich meine Notizen zu dem Lager Leninogorsk:
Einmal Libau / Klaipeda und nicht mehr abgeholt...
(bereits berichtet)
Alleine deswegen sollte man schon die Anekdoten aufschreiben.
Als
die Japaner stehend auf einem LKW zu den deutschen ins Lager gebracht
wurden, hatten alle die Hand zum Hitlergruss gehoben und lachten über
das ganze Gesicht!
Irgendwie gibt es eine bemerkenswert enge Verbindung zu den Japanern...
Mit Staunen beobachteten die Deutschen, wie die Japaner die Bettlaken zerrissen und sich Unterwäsche daraus machten! Armin Fischermeier bekam eine Blinddarmentzündung und wurde von Dr. Baba mit örtlicher Betäubung operiert! Die größte Plage waren die Wanzen! Sie krabbelten unter den Verband und es juckte irrsinnig..
Armin kratzte natürlich und hatte Angst, die Wunde könnte wieder aufbrechen. Dr. Baba beruhigte ihn mit den Worten: Keine Sorge, was wir zunähen geht nie mehr auf!"
Armin Fischermeier ist das Paradebeispiel eines ordentlichen, ehrlichen, fleißigen Deutschen!
Wie aus dem Bilderbuch! Ich könnte mir wahrlich keinen besseren vorstellen. Er
hütet noch den kleinen Schatz seiner Post aus dem Lager in Sibirien und
die Karte mit dem kleinen Gemälde des Japaners fasziniert mich
besonders!
Wer sendet heutzutage noch seiner Mutter eine solche Geburtstagskarte?
Weil es so selten ist, dass man solche Postkarten über die ganzen Jahre aufbewahren kann, stelle ich einige von ihnen zum Nachdenken ein.
Man kann deutlich sehen, wie es in Armin wühlt bei jeder Karte...
Die Erinnerungen kommen hoch...
"Die Russen hatten noch weniger zu essen, als wir!"
Auch hier wieder diese Aussage, die zu denken gibt...
Seines Wissens gelang keinem Deutschen die erfolgreiche Flucht aus dem Lager...
Die zurückgebrachten Geflüchteten kamen in eines extra Bezirk und weniger zu essen...
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Der Ausweis in russisch und deutsch für die Heimreise |
22 Tage im Güterwagen- zurück in die Heimat...
Lager 7347/B
Leninogorsk/Ridder - Риддер - 2002 wieder umgewandelt
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Gedenkstein des Lagers |
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Armin Fischermeier am 25. November 2015 |
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6.000 Kilometer Nürnberg - Ridder - Karten: Google Maps
4. September 2019: Diese Woche, als wir Armin Fischermeier besuchten, erzählte er uns nochmal, wie damals seine Wochenenden der gestohlenen Jugend aussah: Als sechzehnjähriger Gymnasiast musste er am Wochenende als Strassenbahnschaffner arbeiten. Zusammen mit einem etwas älteren Mädchen. (Mit ihrer Tochter traf er sich kürzlich) Dort erlernte er das Schaffnern und von der Dame die ersten zaghaften Einführungen in die körperliche Liebe. Die ersten Liebesbrief erhielt er nach Frankreich.
Dann kam die militärische Ausbildung zum Panzersoldaten bei Pz.Rgt.35 in Bamberg und ein Aufenthalt in Frankreich als Besatzung. die 1945 immer wieder von Arbeitseinsätzen im bombenzerstörten Nürnberg unterbrochen wurden. Am 3-5. Januar 1945 mussten die jungen Soldaten nach Nürnberg und bei der Rettung und Beseitigung der Bombenschäden helfen. Er konnte in der Hoppertstraße sein gerade zerstörtes Wohnhaus frei graben und traf seine Mutter, die Gott sei Dank unbeschadet war. Dann erfolgte ein langer Abschied, bis zu seiner Freilassung aus Sibirien. Sein erster Kriegseinsatz ging als Mitglied einer Panzerbesatzung nach Libau, als Entsatz für das zu verladende Panzerregiment 35, das auf Schiffe verladen wurde und nach Danzig verlegt wurde, um dort das Ende zu erleben. Statt mit dem versprochenem nächsten Schiff, das ihn und seine Kameraden abholen sollte, kam die Rote Armee und verdonnerte den gerade neunzehn Jährigen Gefangenen zu den obligatorischen 25 Jahren Zwangsarbeit im sibirischen Lager Leninogorsk. Im Viehtransporter mit Doppelpritschen und Donnerbalken als Toilette (Loch im Boden) ging es Wanzen- und Läuse geplagt 22 Tage nach Sibirien. - Er hat sich sehr gefreut, seine Arbeit um das Panzerregiment erhalten zu sehen. Ich hoffe, noch etliche Besuche anhängen zu können.
Letzter Besuch, letzter gemeinsamer Kaffee mit Erdbeerkuchen bei Armin Fischermeier am 23.6.2021Zwei Jahre kostete uns die Corona Pandemie, wo wir keine Besuche machen durften und uns nur mit Armin unterhalten konnten. Er litt sehr unter den Bedingungen und empfand sie schlimmer als die Gefangenschaft in Sibirien, denn die Einsamkeit war eine psychische Folter! Endlich durften wir uns unter all den Hygiene Auflagen wiedersehen und wir rückten mit dem versprochenen Erdbeerkuchen und der Kaffeemaschine an. 9 Stockwerke und zwei defekte Aufzüge galt es noch zu überwinden, bis wir uns endlich wieder in die Arme nehmen konnten. Es wurde gelacht und gescherzt, besonders bei seinen Erinnerungen über "Irmgard" die junge Schaffnerin. Es war ein wunderbarer Nachmittag, allerdings unbewusst unser letzter!
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