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Über jeden Soldaten liesse sich ein Buch schreiben...

Freitag, 21. Oktober 2011


Nur eine kleine Plakette ...

...eine kleine Plakette mit der Darstellung des Fürsten Otto von Bismarck, 3,7 mal 5,5 cm groß, aus geprägtem Messingblech, hauchdünn versilbert, dunkel angelaufen und mit einigen Grünspanausblühungen. Ein kleines, scheinbar unbedeutendes Stück Metall, für das ein Antiquitätenhändler vermutlich nicht einmal fünf Euro bezahlen würde. Und doch ist diese Plakette...

... mehr wert als jedes Ritterkreuz!

Dieser Wert ist natürlich nur ideell, trotzdem ist das Stück unbezahlbar. Es gehörte unserem Freund und Kameraden Adam Utzmann.

Vor vielen Jahren schenkte er mir diese Plakette, denn er wusste, dass ich sie in Ehren halten würde. Er blickte mir dabei tief in die Augen und sagte, dass sie ihm wirklich sehr viel bedeuten würde. Schon in diesem Moment begann ich, den wahren Wert dieses Stückes zu erahnen.

Wer die Geschichte unseres Regiments kennt, der weiß auch, dass Adam zu jenen Soldaten gehörte, die schon seit Aufstellung des Panzer-Regiments 35 im Jahr 1938 dabei waren. Er hatte sich freiwillig zur "Wehr"-macht gemeldet, denn er wollte seine Heimat im Ernstfall verteidigen. Einen "Angriffs"-krieg hatte er nie gewollt, doch er musste losziehen, das war seine Pflicht. Warum der Krieg überhaupt entstanden war und wofür wirklich gekämpft wurde, hatte den "kleinen Mann" nicht zu interessieren. Der "kleine Mann" hatte den Schnabel zu halten und gegen den Feind zu ziehen. Wer der Feind war, das bestimmten andere.

Als Funkmeister saß Adam die meiste Zeit über im Panzer des Kompaniechefs. Dieser Panzer hatte nicht einmal eine richtige Kanone, sondern nur eine Attrappe aus Holz (später auch aus Metall). Der Panzer sollte nicht auffallen. Trotzdem bemerkte der Feind meist sehr schnell, welcher Panzer die "Nummer 1" ist und setzte alles daran, gerade diesen auszuschalten.

Die Plakette mit der Darstellung Fürst von Bismarcks war Adam so sehr ans Herz gewachsen, dass er sie während des gesamten Krieges bei sich trug: in Polen, in Frankreich, in Norwegen, in Finnland, in Russland. Und dieses kleine Stück Blech scheint Adam wirklich Glück gebracht zu haben. Insgesamt neun Mal konnte er aus getroffenen oder auf Minen gelaufenen Panzern ausbooten. Es gab dabei viele Tote. Einmal war er sogar der einzige Überlebende. Meist standen er und seine Kameraden beim Ausbooten unter heftigem Beschuss, so dass es erneut Tote und Verwundete gab.

Es ist fast unglaublich, aber es gelang ihm sogar drei Mal aus Kriegsgefangenschaft zu fliehen, zuletzt Ende April oder Anfang Mai 1945 aus einem tschechischen Lager. Zusammen mit einigen Kameraden konnte er an den Wachen vorbeikommen. Sie rannten in einen Wald und sprichwörtlich um ihr Leben. Die Tschechen schossen auf die Flüchtenden wie bei einer Hasenjagd. Nur ganz wenige überlebten.
Die Flucht in den Westen war abenteuerlich. Man bewegte sich nur Nachts und dann auch nur über Feld- und Waldwege. Ortschaften und Häuser wurden gemieden. Im Sammellager Friedberg stellten sie sich. Adam wurde schon nach kurzer Zeit entlassen, da Leute wie er, mit technischem Fachwissen und handwerklichen Fähigkeiten, dringend gebraucht wurden.

Kennt man diese Geschichten und viele andere, die mit Adam zusammenhängen, kennt man Adam als Person, als lieben Verwandten, als liebenswürdigen Mitmenschen, als guten Freund mit trockenem Humor und einem stets offenen Ohr für alle Sorgen, als leidenschaftlichen Imkerkollegen, als treuen und geselligen Kameraden, so kennt man auch den wahren Wert dieser Plakette...

Menschen, die wir lieben, bleiben für immer,
denn sie hinterlassen Spuren in unserem Herzen.